(Fotorechte bzw. Scans: Reinhold Veit/HGV Bad König e.V.)
Foto-Serie von oben nach unten:
1 Das Foto zeigt den historischen Schlossplatz vom damaligen König im Odenwald: Es ist eine Kundgebung im Gefolge der „Machtergreifung“ vom 30.Januar 1933. Im Mittelpunkt sind zumindest Uniformierte in SA-Uniform zu erkennen, partiell auch mit Musikinstrumenten. Darum herum gruppiert sich eine größere Anzahl von Menschen, nicht nur erwachsene Männer, auch Frauen wie Kinder und Jugendliche sind dabei.
2 Das Foto mit azurblauem Winterhimmel und Baumbestand (vom Februar 2019) zeigt den Platz, wo einst der „Adolf-Hitler-Turm“ stand, später „Siegfrieds-Anlage“ genannt. Aktuelle Standortbestimmung: direkt östlich neben der Buszufahrt zur Carl-Weyprecht-Schule Bad König.
3 In der Vortrags-Ankündigung zum Referat von Dr. Strohmenger sehen Sie ganz oben diesen „Adolf-Hitler-Turm“. Nicht feststellbar ist, wann dieser Turm in den 1930er Jahren errichtet worden ist.
- Bad König. „Krach, Kur, König. Machtspiele und Intrigen im Stahlbad der 1930er Jahre. Ein Blick hinter die Fassade des Kurstädtchens in der Zeit des `Führerstaates`“, so hatte der fachkompetente Referent Dr. Dirk Strohmenger seinen Vortrag tituliert, den er am Mittwoch, 20. Februar 2019, ab 19 Uhr in Bad Königs Rentmeisterei im Rahmen der Vortragsreihe des Heimat- und Geschichtsvereins Bad König e.V. vor sehr großer und höchst interessierter Zuhörerschaft hielt.
Von HGV-Mitglied Thomas Seifert- Zusammenfassung des HGV-Vortragsabends
Es wird den Lauf der Weltgeschichte nicht wesentlich beeinflusst haben, dass Adolf Hitler bereits bei den Reichspräsidentenwahlen des Jahres 1932 in König schon im ersten Wahlgang vor dem anderen aussichtsreichen Kandidaten Hindenburg lag und in der zweiten entscheidenden Runde sogar die absolute Mehrheit erringen konnte. Der Umstand gab Dr. Dirk Strohmenger aber die Gelegenheit, etwa aufkommende Spekulationen, der Odenwälder Kurort könnte im Dritten Reich so etwas wie ein kleines gallisches Dorf voller widerständiger Zeitgenossen gewesen sein, schon von Anfang an das Wasser abzugraben. Der Referent des vom Bad Königer Heimat- und Geschichtsverein kürzlich ausgerichteten und unter das Motto „Krach, Kur, König – Machtspiele und Intrigen im Stahlbad der 30er Jahre“ gestellten Abends, der als Kenner der Materie durch seine vor wenigen Jahren erschienenen Publikation über den „Nationalsozialismus im Landkreis Erbach“ ausgewiesene Gymnasiallehrer, daneben auch als leitender Archivpädagoge am Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden tätig, hatte eine große Zahl interessierter Zuhörer den Weg in die Bad Königer Rentmeisterei finden lassen, denen er einen Blick „hinter die Fassade des Kurstädtchens“ in den 30er und 40er Jahren des letzten 20. Jahrhunderts bot. In seinem Vortrag widmete er sich der Frage nach den Methoden, mit denen die örtlichen Nationalsozialisten es unternahmen, die nicht zum Nationalsozialismus Neigenden oder ihn gar Ablehnenden kalt zu stellen und einzuschüchtern.
Schon die Weigerung, den „Hitlergruß“ durch Erheben der rechten Hand zu zeigen, konnte Konsequenzen haben. Ein Königer aus der Mainstraße, von dem Dr. Strohmenger berichtete, hatte es gewagt, die am 30. Januar 1933 aus Anlass der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler übertragene Hitler-Rede mit Zwischenrufen kritisch zu kommentieren; den „Hitlergruß“ wollte er nicht zeigen, und das trug dem KPD-Mitglied damals nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch eine Inhaftierung im KZ Osthofen ein. Andere, so ein nach dem Zweiten Weltkrieg als Bürgermeister von Bad König tätiger Sozialdemokrat, sahen sich wiederholten „Besuchen“ von SS-Männern ausgesetzt, die ihre „Belehrungen“ handgreiflich zu unterstreichen wussten. Kritische Bemerkungen, schnell als „Beleidigung der Reichsregierung“ gewertet, führten in diesem Falle zu einer Gefängnisstrafe von drei Wochen. Auch Einwohner, die es unterließen, die Hakenkreuzfahne aus dem Fenster zu hängen, hatten mit Repressalien zu rechnen, denn die angeordnete Beflaggung diente dazu, den Bestand einer hinter dem Regime stehenden „Volksgemeinschaft“ zu demonstrieren; nur Juden traf diese Verpflichtung nicht, denn sie zählten nach dem Verständnis der Nationalsozialisten gerade nicht zu dieser „Volksgemeinschaft“.
An die Grabenkämpfe in heute am rechten Rand des politischen Spektrums agierenden Parteien fühlten sich einige Zuhörer erinnert, als Dr. Strohmenger auf die Intrigenspiele innerhalb der nationalsozialistischen Organisationen einging. Selbst dem obersten Parteigericht der NSDAP erschienen die Vorwürfe nachgerade „gesucht“, die im Jahr 1935 zur Ablösung des bis dahin als Ortsgruppenleiter der Königer NSDAP amtierenden Mannes führten. Ihm hatte man parteiintern vorgeworfen, im Stammtischkreis „Nacktbilder“ gezeigt und sich ein Fahrrad eines Juden ausgeliehen zu haben. Diese und weitere Vorwürfe erachteten die NS-Parteirichter nicht als geeignet, gegen den Ortsgruppenleiter eine Parteistrafe zu verhängen; sein Amt, das der Königer Lehrer Schäfer übernommen hatte, war er aber doch los. Auch ein Kuraufenthalt von SA-Männern in König erregte in der Parteiorganisation Ärgernis: Der unmäßige Alkoholkonsum der braunen Kurgäste drohte das erhoffte Renommee der Nationalsozialisten anzugreifen, weshalb der örtliche SA-Obersturmführer die Königer Gastwirte aufforderte, den Gästen den Ausschank von Bier und von anderen Alkoholika abzuschlagen, hatten sie erst einmal einen Zustand erreicht, in dem sie den Königern nicht mehr als Vorbilder nationalsozialistischer Kultur dienen konnten.
Sozialer Druck, soziale Kontrolle, auch und vor allem gegenüber hartnäckigen Gegnern mit brachialen Methoden ausgeübt, damit versuchten die Nationalsozialisten auch auf der lokalen Ebene, ihre Gegner auszuschalten, den Eindruck einer hinter dem „Führer“ Adolf Hitler stehenden „Volksgemeinschaft“ zu erwecken und den Eindruck zu vermitteln, den Gang der Dinge in die Hand zu haben. Dieses Resumee durften die Zuhörer am Ende eines interessanten Vortrags ziehen. Dass das nicht immer gelang, zeigte der Referent am Ende seiner Ausführungen auf, als er noch einmal kurz auf die Scheinerschießunegn von Juden im November 1938 einging, ein Ereignis, über das Dr. Strohmenger bereits im November des vergangenen Jahres im Rahmen der Stadt Bad König, der hiesigen Kirchengemeinden und der „Stolperstein-Initiative“ referiert hatte. Als damals eine große Zahl (Bad) Königer Juden von Ortsinneren zum alten Königer Wasserwerk geführt wurden, sollen einige Umstehende den verängstigten Menschen zugeraunt haben, die für die vermeintlichen Erschießungen genutzte Waffe sei nur mit Platzpatronen geladen. Das Schicksal, dem die jüdische Bevölkerung von König entgegensah, hat dieser vielleicht freundlich gemeinte Hinweis freilich nicht entscheidend erleichtert.
(Stand: 26.02.2018)
Presse:
Wie die Kurstadt die NS-Zeit erlebte/Historiker Dirk Strohmenger blickt bei gut besuchtem Vortrag auf „Machtspiele und Intrigen im Stahlbad der 30er Jahre“ (Quelle: Odenwälder Echo/jös/ vom Freitag, 1. März 2019/Rubrik Odenwald, S. 10)
Grundlagenliteratur:
Mittlerweile als d a s Standardwerk für die Zeit von 1933 bis 1945 im früheren Landkreis Erbach im Odenwald (heute Odenwaldkreis) gilt das Buch:
Dirk Strohmenger: Nationalsozialismus im Erbacher Landkreis „dass überalls vollkommene Ruhe und Ordnung herrscht … (Herausgegeben vom Kreisarchiv des Odenwaldkreises/Redaktion und Bearbeitung: Anja Hering), Druck: M&K Satz-, Druck- und Verlags-GmbH in Michelstadt /448 Seiten/ISBN: 978-3-9815625-4-5/Erbach 2016
Weiterhin zur politischen Situation im einstigen (Bad) König im Odenwald:
Wolfgang Stapp, Niemals wieder vergessen! Zum Gedenken Odenwälder Antifaschisten – Teil 5: Verfolgung und Widerstand in Bad König und Brombachtal, S.157-173, in: „gelurt“ -Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2012 (ISBN: 978-3-9805891-9-6) , Michelstadt (M& K Satz-, Druck- und Verlags-GmbH, Michelstadt 2011
Ausführlich akribisch untersucht wird das jeweils biografische Schicksal von Peter Kunkelmann, Philipp Jakob Hofmann, Johann(es) Hofferberth, Karl Jörg, Hans Hofmann, Wilhelm Ehrhardt, Peter Rebscher, Johann Grasmück, Wilhelm Schäfer, Peter Schneider und Jakob Eidenmüller.