BAULICHES KLEINOD, KUNSTHISTORISCHES JUWEL: DIE ALTE KAPELLE IN BAD KÖNIG VORTRAG VON DR. PETER W. SATTLER ANLÄSSLICH DES 1200-JÄHRIGEN BESTEHENS DER STADT
Bad König. Die Historische Kapelle in Bad König stand im Mittelpunkt eines Vortrags von Heimatforscher Dr. Peter W. Sattler, der im Rahmen der Veranstaltungsserie anlässlich der 1200-Jahrfeier zur Stadtgeschichte gehalten wurde. Neben der Einhards-Basilika in Steinbach ist diese Kapelle das älteste Bauwerk im Odenwaldkreis und reicht noch in die karolingische Zeit zurück.
Der Referent untersuchte die Funktion der Kapelle als adlige Eigenkirche, Wallfahrtskapelle und Totenkirche und würdigte damit die bau-, kunst- und kirchengeschichtliche Bedeutung des Uralt-Gebäudes. Dem Vortragenden zur Seite stand Reinhold Veit, der die zahlreichen Bilder zum Vortrag beisteuerte und passend den Ausführungen des Redners einblendete.
Nach einer Einführung in die vorhandene, wenn auch spärliche Literatur; beschrieb Sattler zunächst die Lage der Kapelle im geografischen Raum und untersuchte anschließend im Hinblick auf eine anzunehmende Eigenkirche den in König einst etablierten Adel. Die Eigenkirchen nämlich waren im Gegensatz zur späteren bischöflichen Reichskirche private Gotteshäuser, dies jeweils zu einem Hofgut gehörten. Erbauer waren entsprechend wohlhabender Grundbesitzer aus dem weltlichen Adel. Für Bad König lassen sich zahlreiche Mitglieder des Adels ab dem 9. Jahrhundert nachweisen, die Reche an Grund und Boden hatte. Aus diesem Kreis rekrutierte sich der Bauherr der Kapelle, wie Sattler einleuchtend nachzuweise suchte.
Zum Thema Baugeschichte ging der Vortragende nicht nur auf das dreigliedrige Bauwerk selbst ein, sondern untersuchte auch die noch vorhandenen Bauurkunden, Zeichen, Inschriften und Wetzkerben. Das Bauensemble besteht aus dem langgestreckten Gemeindetraum, einem leicht eingezogenen Chor und einem annähernd quadratischen Vorbau. Chor und Langhaus sind die ältesten Teile der Kapelle und datieren um das Jahr 1000 oder davor.
Besonderes Augenmerk verdient das zugemauerte Portal an der Südseite des Bauwerks. Hier hat Oberstudienrat Wolfram Becher mit seinen Abiturienten 1960 Grabungen vorgenommen und etliche Erkenntnisse gewonnen. Die Decke des Chors ist in Form eines Netzgewölbes ausgebildet, dessen Schluss-Stein das Allianzwappen des Grafen Eberhard von Erbach und seiner Gemahlin Gräfin Marie von Wertheim trägt. Der Vorbau zeigt im Türsturz des Portals im Westen die Jahreszahl 1714. Nur schwer zu deuten sind die figürlichen Einritzungen im Außenputz der Kapelle. Über die Wetzrillen in der Eckquaderung hat kürzlich Horst Schnur eine Abhandlung geschrieben.
Ein Schwerpunkt des Vortrags bildete neben der Baugeschichte die Darstellung der Kunst- und Kirchengeschichte der Kapelle. Die Wandmalereien an den drei Seiten im Chor gehören dem ausgehenden 14. Jahrhundert an. Durch die Chorerhöhung 1514 und den Einbau von Fenstern sind sie teilweise in Mitleidenschaft geraten. Trotzdem stellen die Gemälde ein künstlerisches Kleinod dar. In den Jahren 2002 bis 2005 wurden sie im Auftrag des Hessischen Landesmuseums Darmstadt freigelegt. Es sind stilistische Einflüsse aus der böhmischen Malerei und in der südhessischen Umgebung singulär, so die Kunsthistoriker. In zwei Etagen wird der Passionszyklus der Heilsgeschichte sowie in Arkaden ganzfigurige weibliche und männliche Heilige dargestellt.
Bei all diesem blieb zunächst noch eine Frage offen: Wer waren neben den Gründern die weiteren Besitzer der Kapelle? Spannend sei auch die Frage, so Sattler, wann und in wessen Auftrag die Wandmalereien im Chor angebracht und wann das Chorgewölbe zur Erhöhung des Altarhauses eingebaut wurde. Auch hier die weitere Frage: welcher Bauherr hat diese Maßnahme veranlasst?
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Schenken von Erbach Beziehungen zum Hof in Prag pflegten, wo zeitweise die Deutschen Könige und Kaiser aus dem Haus Luxemburg residierten. Karl IV. nahm Schenk Eberhard VIII. in seine Dienste, desgleichen Konrad V. und Eberhard IX. von Erbach. Letzterer hat wohl den Auftrag zur Ausmahlung der Kapelle in König gegeben, denn die Erbacher besaßen zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1348/49 beziehungsweise 1355 die Hälfte von König. Laut eingemeißelter Jahreszahl 1514 im Portalsturz der Vorhalle und dem Ehewappen von Schenk Eberhard XIII. und seiner Ehefrau Marie von Wertheim im Schluss-Stein des Chorgewölbes ist Schenk Eberhard wohl der Erbacher der Vorhalle als auch der Chorerhöhung mit dem schönen Netzrippengewölbe. Eberhard war wohlhabend, alleiniger Besitzer der späteren Grafschaft und Stifter auch des bekannten Schöllenbacher Altars.
Über ein vorchristliches Quellheiligtum, so Sattler, gebe es keinerlei Beweise, ebenso wenig, dass das kleine Gotteshaus einstmals eine Wallfahrtskapelle gewesen sei. Die Ende des 19. Jahrhunderts im Boden der Kapelle aufgefundene römische Minerva-Figur könne allenfalls als Spolie im apotropäischen Sinn gedeutet werden und spreche nicht unbedingt für ein vorausgegangenes heidnisches Heiligtum. Die Verwendung als Totenkirche beginne erst im Jahr 1771, als der Friedhof an der Kapelle angelegt worden sei. Die Grabplatte des 1776 verstorbenen Pfarrers Betzius lege davon beredt Zeugnis ab.
Die Alte Kapelle in Bad König, so fasste Sattler zusammen, habe eine lange Geschichte. Das Bedeutsame sei nicht nur ihr Alter, sondern die für Hessen einmaligen Wandmalereien im Chor dieses kleinen Gotteshauses. In der Summe stellten alle baulichen und kunsthistorischen Hinterlassenschaften ein Kleinod in der Landschaft um Bad König dar. Nun gelte es für alle Verantwortlichen, dieses Juwel zu pflegen, um es der Nachwelt zu erhalten.
Dr. Peter W. Sattler
Historische Fotos: Reinhold Veit (HGV Bad König)