Ilse Süßner gewährt eine zeithistorische Rückblende in die Blütezeit von Bad Königs Kur und Fremdenverkehr
In einer kürzeren Fassung möchte ich vom Kurgeschehen in den 1960-er bis 1990-er Jahren erzählen. Es ist schon eine Weile her, aber ich denke noch oft daran, als die Kurgastzahlen von Jahr zu Jahr in früheren Jahrzehnten gestiegen sind und immer wieder neue Möglichkeiten geschaffen wurden, um recht viele Gäste nach Bad König zu „locken“.
Schon sehr bald war unser kleiner Badeort im ganzen Bundesgebiet bekannt- auch in Berlin, Köln, München, unser gesamtes Hessenland ist dabei nicht zu vergessen. Dass hier in Bad König der Gast König war (und ist), zeigte sich schon einst bei der Ankunft am Bahnhof, als die Gäste von dem Dienstmann Peter Arndt abgeholt wurden. Seine rote Dienstmann -Mütze war nicht zu übersehen. Motorisiert war er damals noch nicht- der Dienstmann Peter Arndt. Aber das machte dem Gast gar nichts aus, denn der lief neben dem Kofferkarren her, half sogar, den Kofferkarren zu schieben. Aber bald war da noch Heinz Klinger, der schon ein Auto besaß, jedoch nur, um das Gepäck des Gastes zu transportieren. Erst das Taxiunternehmen „Bieber“ und auch „Taxi-Thüne“ durften hier in der Kurmetropole des Odenwaldes Personen befördern.
Leider ist es mir nicht gelungen, solch eine schöne Dienstmann – Mütze von damals aufzutreiben. Versicherungsanstalten-z.B. aus Berlin und Köln- brachten Erholung suchende Gäste mit dem Bus nach Bad König. Andere wiederum reisten schon mit eigenem Fahrzeug an. Konrad Rebscher hat, so wie ich es noch weiß, weiterhin Gäste, die mit dem Zug ankamen und zur Odenwaldklinik wollten, vom Bahnhof abgeholt.
Dass einem jeden Gast, der von den Versicherungsanstalten geschickt wurde, ein Einzelzimmer mit Dusche und WC zugewiesen werden konnte, war damals noch nicht möglich.
Zwei-, Drei-, ja sogar Vierbettzimmer standen zur Verfügung (Etagen-Dusche und WC).
Das wäre heute gar nicht mehr statthaft. Doch das nahmen die Erholungssuchenden in den ersten Jahren Bundesrepublik damals schon hin. Hauptsache war, dass die Zimmer sauber waren, die Betten gut und das Essen geschmeckt hatte. Gute ärztliche Betreuung und Kuranwendungen waren ja gewährleistet.
Die Badeärzte -schon sieben an der Zahl- und die Mediziner, die für die Gäste in der Odenwald-Kurklinik zuständig waren, wussten sogleich für jeden Patient die richtige Behandlungsweise. Stahlwasser- und/oder Wannenbäder, Massagen, Fango, Inhalationen, Gymnastik und Trinkkuren stellten ein umfangreiches Angebot dar. Auf die Trinkkuren mit dem eisen- und manganhaltigen Wasser wurde ein besonders großer Wert gelegt. Dass unser Bad Königer Stahlwasser als Heilwasser für Blut und Nerven gut ist, wurde ja schon um die 90-er Jahre des vorletzten Jahrhunderts festgestellt. (Stahlbad König- so kennen wir es noch!)
„Stahlbad König für Blut und Nerven gut“, so stand es auch auf den wunderschönen Trinkgefäßen aus Glas wie auch aus Ton (Keramik) -welche eigens in der hiesigen Kunsttöpferei Walter hergestellt wurden.
Anfangs benutzte man ja noch Trinkröhrchen aus Glas zum Schutz zum Schutz für die schönen weißen Zähne.
Das mineralreiche und hauptsächlich eisenmanganhaltige Wasser stellte eigentlich den Ursprung unseres Heilbades dar-natürlich auch die gute und saubere Waldesluft, die schöne Gegend, die zum Wandern einlädt.
Unsere quellen – und waldreiche Odenwaldregion wurde ja schon von den Römern vor mehr als 1200 Jahren geschätzt. Nicht umsonst haben sie sich hier im damaligen hinteren Limesbereich angesiedelt.
Können Sie sich noch an unsere Aufseher im Kurbereich (Kurgarten) in ihrer schmucken Uniform erinnern?
Die Kurgärtner, Angestellte der Kurverwaltung und der Gemeinde wechselten sich ab, diesen Dienst zu tun. Sie mussten ja nicht nur tagsüber, sondern auch abends, samstags, sonntags und an den Feiertagen diesen Dienst verrichten.
Der Kurgast fühlte sich so geborgen, wenn die Aufseher nach dem Rechten sahen.
Niemand von den Einheimischen traute sich mit dem Fahrrad durch den Kurgarten zu fahren oder gar einfach während der Konzertzeiten durchzulaufen, um die Abkürzung beispielsweise von der Frankfurter Straße zur Alexanderstraße zu nehmen. Ja, Ordnung musste sein, denn dafür sorgten schon unsre Kurgärtner!
So war ja auch zeitweise eine Durchgangssperre während der Konzertzeiten gegeben.
In einem Kassenhäuschen am Eingang der Frankfurter Straße saß auch Kurt Ziegler und ließ sich die Kurkarten vorzeigen.
Wer keine Kurkarte besaß, hatte auch keine Kurtaxe bezahlt und der musste dann 1.50 DM Eintritt nachentrichten. (Gelle, Kurt?)
Dieses Amt hat er 20 Jahre ausgeführt. Bei seiner Verabschiedung dann wurde ihm als ein besonderes Dankeschön von Bürgermeister Walter Pröhl und dem Kurreferenten Karl Schüler für seinen treuen Dienst die Ehrenkurkarte auf Lebenszeit verliehen.
(Kurt, merke dir bitte gut: „Überall, wo es Kurkartenermäßigung gibt, brauchst du nur diese Ehrenkurkarte vorzuzeigen!“ )
(Das „historische Badeblatt“ wird dem Auditorium gezeigt.)… Jeder Kurgast bekam mit der Kurkarte ein Badeblatt dazu, welches kostenlos war. Das jeweils nächste Badeblatt konnte man dann bei der Kurverwaltung und in den Buchhandlungen bzw. den Vorverkaufsstellen Arndt, Rudolf, Weichel und Vetter kaufen.
In jedem Badeblatt war eine spezielle Nummer gedruckt; damit hatte der Gast die Chance, ein Kurtaschengeld zu gewinnen: 30 DM, 20 DM, 10 DM.
Das war schon ein stolzer Gewinn, wenn man bedenkt, dass man einst noch für 1 DM und weniger eine Tasse Kaffee bekommen konnte.
Ein Fotograf der Drogerie Storch mit seinen Windhunden fand bei den Gästen großen Gefallen für ein Erinnerungsfoto.
(Ich habe auch noch so ein Foto von damals, das ich in Ehren halte. Ich zeige es später, sage aber nicht die Jahreszahl der Aufnahme und sage auch nicht, wer auf dem Foto zu sehen ist, vorerst nicht.)
Nicht vergessen möchte ich unsere beiden, von Karl Schüler engagierten Kurmodelle Margot Schüler und Gerda Weichel in ihren zu diesem Zweck von der Firma Spreng maßgeschneiderten, sehr schicken Kostümen. (Auch da habe ich noch ein Erinnerungsfoto, das ich dann noch zeigen möchte. Eine Bildermappe liegt auch bereit. Vielleicht ergibt sich später noch die Gelegenheit zum Anschauen.)
Ja… Karl Schüler, ein echter Kurpionier, war sehr um das Geschehen der Kur in Bad König bemüht. So war er bei jedem Kurkonzert anwesend und auch bei jeder Sonderveranstaltung zugegen, um die Gäste zu begrüßen, und zwar im Ehrenamt!
Einige Badeblätter von damals habe ich aus meiner Privatsammlung mitgebracht. Doch nur zum Zeigen, denn es sind gesammelte Werke, die für mich einen persönlichen Wert besitzen.
Denn auf Grund meiner langjährigen Tätigkeit bei der Kurgesellschaft im Kurzentrum Bad König war ich ja auch stets mit dem Kurgeschehen unmittelbar verbunden.
Seit dem ersten Bauabschnitt des 1974 eingeweihten „Neuen Kurzentrums“ in der Elisabethenstraße befanden sich Kurgesellschaft wie Kurverwaltung quasi alle unter einem Dach. Büroräume, Schalter für Terminausgaben und Zimmervermittlungen sowie Kurkartenausgabe, Therapieräume waren dann im ersten und zweiten Stock.
In der schönen und weiträumigen Empfangshalle gab es auch bequeme Sitzgelegenheiten.
Diesen heimeligen Aufenthaltsraum nutzten viele Gäste auch als Treffpunkt.
Es herrschte dort immer reger Betrieb, besonders -als im Oktober 1975 das Thermalbewegungsbad in Betrieb genommen wurde- auch mit Durchgang zur Wandelhalle, Brunnenhalle, Toiletten und zum Kurgarten.
Galt es Verbesserungsvorschläge im Bereich der Wandelhalle auszuarbeiten (z. B. Umkleideraum, Schminkraum, Bestuhlung etc.), da war stets Wilhelm Koch mit „seinen Mannen“ bereit für ehrenamtliches Tun. (Er war stets darauf bedacht, wenn Gastbühnen zu uns kamen, einen guten Eindruck zu hinterlassen, was ja auch ihm immer gelungen ist.)
Trotz des Stresses, den das Schalterpersonal zu Genüge hatte, war man auch bereit, sich Kummer und Leid, sich auch manches Mal Beschwerden anzuhören. Man hat sich ja bemüht, dem Gast seinen Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu machen. Da war man schon mal Kummerkasten und Trösterin zugleich.
Wichtig vor allem war, dass der Gast sich hier stets wohl und geborgen fühlen konnte.
So gab es ja auch jeweils ein abwechslungsreiches Kultur- und Freizeitangebot für die zahlreichen Kurgäste: Theater- und Heimatabende, die sehr beliebt waren, z.B. Lichtbildervorträge über Bad König und seine Landschaft in musikalischer Umrahmung von dem Männergesangverein Liederkranz und dem gemischtem Chor der Liedertafel Bad König mit der Präsentation anfangs von Lehrer Hörr, ab 1968 bis 1991 von Lehrer Walter Arndt. Danach hat Kurt Ziegler die Präsentation zum Lichtbildervortrag geleistet.
„Unter der Dorflinde“, so trat die Trachtengruppe „Hans von der Au“ aus Erbach in der Wandelhalle auf, gleichfalls die Tanz- und Spielgruppe des Heimat- und Geschichtsvereins Bad König , die Jugendmusikgruppe Zell unter der Leitung von Friedel Haag und einige andere mehr.
Mit zum festen Unterhaltungsprogramm zählten auch die monatlichen Theateraufführungen mit der Laienspielgruppe der Kurverwaltung Bad König, die 1957 von Bürgermeister Walter Pröhl und Kurreferent Karl Schüler gegründet wurde. Zu den ersten Mitgliedern der Laienspielgruppe zählten auch Erich und Ilse Süßner als Akteure (40 Jahre lang) bis 1997 dabei. Ich erinnere auch an das Brunnenfest, das alljährlich im Kurgarten und in der Wandelhalle stattfand sowie mit wunderbarer abendlicher Beleuchtung sehr beeindruckte.
Ich möchte auch zudem erwähnen, dass die Wanderpassaktion sich großer Beliebtheit erfreute.
Die ortskundigen Wanderführer, Mitglieder des Kurvereins, darunter auch Jakob Schäfer und Reiner Baumann, konnten an den Wandertagen eine große Teilnahme verzeichnen.
Das Volksliedersingen mit der Kurkapelle gehörte auch zum Abendprogramm. Das Motto lautete:“ Alle singen mit, denn das Lied erfreut des Menschen Herz, es lindert Leid und manchen Schmerz.“
Ganz stolz waren auch die Gäste, die an einem Malkurs teilnahmen und ein schönes und selbst gemaltes Bild mit nach Hause nehmen konnten, das ja unter der Anleitung des Künstlers Reinhold Thisson und auch der Künstlerkollegin Frau Schwarz gut gelungen war.
Regelmäßige Kurkonzerte- am Vormittag und Nachmittag- und der Tanztee waren stets gut besucht. Und dann waren die vielen Gelegenheiten zum Tanz(en) am Abend gegeben, so unter dem weiteren Motto: „Morgens Fango und abends Tango.“
(Mehrere Kurkapellen sind hier in Bad König zu verzeichnen, die ich an dieser Stelle-zeitlich bedingt- nicht alle aufzählen kann.)
Die Brunnenanlage mit der Wendeltreppe ist mir auch noch in Erinnerung.
Es waren Anziehungspunkte zum Verweilen… nicht nur für die Kurgäste.
Die Kleingolfanlage im erweiterten Kurgarten will ich auch erwähnen. Nachdem der Kurgarten mit den damals noch zwei Brücken über dem Bach vergrößert wurde, hatten auch die Gäste vom „Kurheim Müller“ leichten Zugang zur Wandelhalle und zum Trinkbrunnen.
Auf gar keinen Fall möchte ich „die Kurschatten“ vergessen, die ja-wie in jedem Badeort üblich- dazu gehören. So mancher damalige Kurgast hat dadurch hier seinen „Partner oder Partnerin fürs Leben“ gefunden und ist Bürgerin oder Bürger von Bad König geworden. Wiederum andere haben ihren Kurschatten mit nach Berlin genommen.
Aus den zahlreichen Kontakten mit Treuegästen wurden Freundschaften geschlossen, die zum Teil bis heute noch andauern.
Nun möchte ich noch kurz von einer Frau erzählen, die viele Male Gast in der „Brunnen-Pension Bräunig“ war. Bei einem ihrer Aufenthalte kam sie auch gleich zu mir an den langen Tresen des Kurzentrums. Sie kannte mich ja auch gut. „Wissen Sie, Frau Süßner, ich komme immer wieder gerne zu euch nach Bad König!“ (Wörtlich gesagt!)
„Hier fühle ich mich wohl, hier ist man nicht irgendeine Nummer, hier wird man noch stets mit seinem Namen angesprochen!“ Und darauf hat sie viel Wert gelegt.
Und während sie so redete, suchte ich verzweifelt nach ihrem Namen.
Er fiel mir partout nicht ein. Und ich ging suchend das ABC „rauf und runter.“ Aber ich kam nicht auf den Namen. Es war mir schon sehr peinlich.
Plötzlich sagte sie: „Ich war heute schon beim Dr. Walter, und der hat mich auch wie immer freundlich begrüßt.“ „Wie schön, dass Sie wieder da sind, Frau Häcker,“ sagte der Badearzt.
Und da fiel mir ein Stein vom Herzen. Diesen Namen „ Häcker“ habe ich bis heute nicht vergessen.
Nun seien abschließend noch ein paar eigene Worte genannt, die ich schon in den 1970-er Jahren an gute Freunde weiter gegeben habe- auch als Geburtstagsgruß meinerseits.
Ein guter Rat!
„Hast du mal Kummer oder Sorgen zu Haus, dann gehe doch einfach mal aus!
Mach’ einen Spaziergang in der herrlichen Natur, geh’ durch den kleinen- oder durch den großen Kurpark mit den beiden Seen, und gleich wird es dir besser gehen. Denn nicht nur für die Kurgäste, sondern auch für uns Einheimische sind die schönen und gepflegten Anlagen und Bänke zum Ausruhen da.
Spiel` mal mit, beim Minigolf! Oder schau` zu, wenn andere sich in Position stellen, zielen und dann doch nicht treffen. Auch dabei kannst du deine Sorgen vergessen.
Hab’ Mut und dreh’ auch mal beim Tanztee in der Wandelhalle eine Runde, Tee, Kaffee und Kuchen wird auch dir dort gut munden.
Ein Besuch im Thermalbad, regelmäßig einmal die Woche, tut gut deinen Knochen. Auch kannst du öfters mal Stahlwasser trinken, das stärkt deine Nerven und ist gesund für dein Blut. Und wenn du starke Nerven hast, macht dir das Dasein viel mehr Spaß und du kannst dich länger deines Lebens freu’n –
und wirst genau wie ich stets stolz auf dein Bad König sein!“
Danke fürs Zuhören!
(Alle Rechte liegen bei der Autorin.)